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unter dem baum, am heißen tag,

am tag der schmetterlinge,
wurde ich selbst einer.
eine tat der luft,
einer untat duft.
wir tauschen  noch unsere ringe.

wir tauchen unter die wellenschlinge.
die fische blinzeln uns an,
wir schwimmen lautlos ins reden,
die uhren stehen auf hahn,
und die ziffern sind klinge.

wir betanzen das ginge,
die schritte feiner,
sonst tut sie keiner,
und im fliegen die feder.
im siegen  kein weder.

wir besingen die dinge.
auf dass uns gelinge.

unter dem baum, am heißen tag.
(c) marchmoon

strichpunkt

ich glaube, das vierte ist die kraft, die das dritte ermöglicht. etwas, was den zweiten schritt vor dem ersten voraussetzt.

ich bekam hilfe in einem anderen forum. das vierte ist der kalkül selbst. damit ich kann ich leben.

ne weile.

es erscheint

mitunter vergeblich, der welt eine ordnung aufzustülpen. ihre neigung, sich selbst dauernd neu zu erschaffen ist dem entgegengesetzt.

immer dann, wenn wir denken, wir kommen dahinter, haben uns in den takt eingeschwungen, merken uns die schritte und die choreographie könnten wir halbwegs auswendig nachplappern, wie ein altes gedicht, das wir nicht vergessen wähnen und in versfetzen noch aufklauben können, wartemal, das konnte ich mal, 

immer dann, wenn wir mit solchen dingen aufwarten, wie logik, folgerichtigkeit, wiederkehr des gleichen, den jahreszeiten und tagnächten und nachttagen, unserem wissen, unserer hoffnung oder angst, all die dinge, die prospektiv sind, das geheimnis gelüftet zu haben vermeinen, immer dann

setzt sich etwas durch, was unverhofft, unglaublich, undenkbar ist. das mysterium des lebens, eine nicht erwartbare zeugung, oder enthüllung, oder das anlandspülen eines längst historisierten strandguts aus der vormillenaren zeit der seele.

wir überraschen uns selbst. gedeihen, wo wir sterben müßten, und sterben, mitten im leben. befruchten, keimen, fruchten, mitten in den uferlosen wüsten, setzen die gesetze außer kraft, blühen auf oder welken darnieder, dem anstand, dem anstehenden widersetzt, der strich durch die rechnung.

ganz egal, ob es mit minus oder plus endet, es ist nicht übersehbar, nicht erwartbar, nicht teil der rechnung. der strich ist etwas anderes, und doch das wesen der rechnung selbst. das sein und das nichtsein.
alle unsere gedanken sind rechnungen. berechnungen.
und jeder hat ein ziel, ein ende. man kann die welt nicht zu ende rechnen, nach jeder, noch so endlos erscheinenden gedankenkette , setzt irgendwann der strich oder das IST-zeichen ein. wir fragmentieren, beim kapieren, notgedrungen, ist wohl auch so ein naturgesetz der zellen oder der schwarzen löcher.

nun nehme ich an, ich darf beispielhalber jede rechnung auf das reduzieren, was sie ist, ein muster. also auf die notwendigen orte a, b, c. und die zeichen, mit denen ich rechnen will.

am ende meines kalküls tritt dann dieser strich, oder dieses IST-zeichen auf.

ist der strich nun teil der rechnung, oder genau das andere?
oder ist der strich genau dieses sowohl-als-auch, das nichtausgeschlossene dritte und n-te?
mir scheint, ich brauche für eine synthese aus these und antithese ein viertes, ein inhärentes, das, was die synthese ermöglicht, den katalysator. das, was die hand zum strichziehen bewegt, der moiren entschluss, den faden zu kappen, die beendetheit der zahlenfolge.
ich glaube, das vierte ist die kraft, die das dritte ermöglicht. etwas, was den zweiten schritt vor dem ersten voraussetzt.

mm/ll

lap-land

eine paradoxie am netz ist, dass je mehr info zur verfügung steht, ich desto weniger info aufnehmen kann.
allein schon das beabsichtigte nachflussern des ursprungsthreads, plus günther-monolith, plus wahrscheinlichkeitshieroglyphie, plus eure eingaben, rechtfertigten eine prometheische ankettung an diesen elektronischen felsen. mit einem datenadler, der meine leberzeit pickt.

hab erst jetzt den lem-artikel im eingang * gelesen und dachte mir, hm, ok, wieder einer der großen, die bewusst auf das netz verzichten. ich selbst kenne eine menge, die das tun und so einen konservativen widerwillen gegen den datenfluß entwickelten, dass sie schon staunen, wenn bei mir zuhause der rechner immer an ist. dass das summen stört, gebe ich zu, und ich merke, der raum ändert seine weite, sobald das elektronische rauschen aufhört. wenn es dann aber heißt, oh, ich wüsste gerne, wo x damals in wonoch? wasgenau schrieb, und ich gebe das schnell ein, und muss nicht erst in die staatsbibliothek einchecken, dann passt es auch wieder.
aber dann sagt auch mal einer nee, lassmal, so, als ob ich jetzt beim herdrehen des laps so viel mühe investieren müßte, wie beim bierkasten aus dem keller holen. nee, lass mal. also nee, lass mal, das nervt mich. weil es im grunde nicht bedeuten soll, bitte tippe da jetzt nicht rum, während wir zusammen sitzen (das ist ne andere sache), sondern es heißt, ich will es gar nicht wissen.

was lem sagt: das macht mich dann nicht heiß.
nun ist es aber nicht so, dass wir vor wissenshitze ins schwitzen gerieten, wir erdlinge. allein, jedes offene fenster lässt eine tür zugehen, und sind zu viele offen, kommt man kaum mehr vor die tür.

das netz besteht aus datengarn (1) und löchern(o). aus blick und blinzeln. und was, von dem getier, das ich täglich an land ziehe, dann auf meinem teller landet, verspeist und verdaut wird, ist doch wieder nur genau das, was meine leberzeit verkraftet.

und dass die götter den feuerbringer anketteten … ich haute gerne, könnte ich, aus stein einen prometheus, in typischer pose, mit einem laptop auf den knien. ist bestimmt bereits geschehen, ich hab´s nur noch nicht im netz gefunden

mm/ll

* bezieht sich auf

http://www.heise.de/tp/artikel/2/2048/1.html,

in einem anderen forum besprochen

der 80. beitrag, am 9. juli.

das ist das jahr des schmetterlings.

ein schmetterling ist wie eine treibende blüte, eine, die den wind durch den willen ersetzt hat, eine gestaltgewordene blüte. eine menschgewordene, diese insekten sind uns so  ähnlich in ihrer gestalt. also ich empfinde meine arme und beine als flügel, auch nachdem ich schon lange nicht mehr tanze.

ich empfinde mich als schmetterling

und es ist mein jahr.

mein kokon ist weg. uff, einfach weg. die äußere hülle, auf die immer verlass war. war zwar eng, aber immerhin bekannt. irden, umbrafarben, mitunter staubig, ausflockend, wie mürbe seide, ein mantel aus wirklichkeit und greifbarkeit. mein kleidungsstück.

der ist unterwegs abgeblieben, ich habe es zuerst gar nicht gemerkt. wie in einem reflex, habe ich nach seinen falten gegriffen, um sie um mich zu legen, aber mit jedem tag, wurde die geste enger und der mantel dünner und er umschloss immer weniger von mir. darunter waren meine flügel, von denen ich bis heute nicht weiß, was sie sind. ich merke nur, etwas entscheidendes fühlt sich anders an. etwas bewegtes, vibrirendes, gekoppeltes, als bildeten neue nervenschäfte sich neuen synapsen entgegen und die vormalig stille puppe erwachte zu einem gestus, zu einem bogen, zu einem tanz heran. die fäden der puppe habe ich nur zum teil in der hand, der wind und der wille gehen darin miteinander. es pustet die adern der pusteblume auf, ich weiß nicht, was es ist.

aber ich weiß, woher es kommt.

es kommt vom wind. der hat angefangen. und ich habe mich nicht gegen ihn gestellt, sondern hineingelehnt. und das war gut.

der wind hat den mantelrock aufgemacht, wie ein kecker, himmlischer liebhaber, und dadurch bekamen die flügel die kraft. der innere rotor summte auf, die turbinen sprangen an, an den antennen begann das kitzeln und nun webt es sich sachte und immer noch keck durch die adern meiner flügel. ein einzig nervengeflecht bin ich, ein bündel materie, ein bunter strauß windverliebter blüten. das flirren der welt in uns ist so honiggleich, nährend, so kitzelig, lebendig zu sein ist so formidabel bunt!

was soll man da sonst tun, als schmetterling werden?

es ist unglaublich, es ist unglaublich. aber ich kann es nicht anders sagen: der wind ist die liebe.

die kraft, die von a nach b bewegt. die urinstanz aller motion ist die animation. beseeltheit. der odem.

ist so, nicht  grinsen, ich hab auch mal gegrinst und sogar die augen verdreht, weil ich dachte, das ist sentimentales geschwätz oder blecherne litanei.

aber ich wurde eines besseren belehrt. das bessere trat in mein leben ein, nachdem ich mich mit dem weniger guten befriedet hatte. nachdem ich das maß der resignation begangen  hatte und vorhatte cool zu werden.

mjaou …

und da öffneten sich die tore des himmels und der wind trat heraus. der wind war  die schleppe der liebe, und da hat sie sich dann gezeigt, just als ich, wie orpheus, nur schlauer, gedacht hatte schreiten zu wollen. ohne mich umzudrehen.

da hat das leben mir den mantel aufgeknöpft, mir den dunklen erdpuder vom leib geflufft und mich mit einem wirbel in die welt geschickt.

und da steh ich nun, und muss sagen, ein schmetterling zu sein ist das unglaublich, unglaublich unglaublichste, was einer puppe passieren kann.

vielleicht klingt es vermessen. ich müßte vielleicht sagen,

naja, ich mache ein praktikum als schmetterling, mal sehen, ich übe noch, wir sind ja alle so imperfekt.

das wäre aber kokett. ich bin ein schmetterling, weil ich fliegen kann, ich kann fliegen, weil ich liebe. und ich liebe, weil ich geliebt werde. weiter weiß ich nicht.

und nun frage ich mich, ressourcenorientiert, wie ich bin, ob denn bitte nicht endlich einer mal so einen apparat entwickeln kann, in den leute wie ich, die so eine datenbank haben, sie hochladen, damit sie andere anzapfen können. also ja, klar, universell und so, geht das eh, die quanten tanzen, aber ich meine es jetzt ganz real. liebe aus der batterie. dann würde man die welt heilen und so.

und dann merke ich, mit vielleicht einer spur seufzen, dass es deshalb nicht geht, weil die reaktion der übertragenen kraft im körper des empfängers weiter verarbeitet werden muss. an liebe müssen wir selbst beisteuern, der fährmann über den fluss lässt sich nicht bestechen, wir müssen einen taler in seine hand legen.

das ist der unstand der dinge.

die reanimation.

wasserstoff

in den stimmen sirren die geflechte,
rinden bluten dunkel in die  nächte,
in den gräsern winden sich die rechte,
an den schranken, in die schächte.

ausgezählt, des lebens zeugen.
unbezahlt, die wechselspiele.
ungelenk das junge beugen,
angestaubt der scheibe ziele.

trockne, schrumpfe knospen, weile.
strändevoll  gehäuseleere.
an der ufer schleusenzeile,
keine wasser, keine meere.

doch der erde sonnenneigung,
und der bogen überm regen,
aller laute himmelssteigung,
und des lebens leuchtend legen,

bündeln schaft und binden saft,
wiegen samenreiche kerne,
sprenkeln aufgesprengte kraft,
spindeln weg und beet der sterne.

aus der baren glut im boden,
fließt der regen, regnet fluss.
und das keimende im roden,
ist der humus für den kuss.

ist der humus für den kuss.
(c) lorilike

wir bereden wie welt.

wir bereden oben und unten, links und rechts. wir benennen osten und westen und wissen zu allem was zu sagen.  je mehr, desto besser verstehen wir die welt, so nehmen wir an, also tauschen wir informationen. in-formationen aus silicium und äther. und dabei ist es gänzlich unmöglich irgend etwas davon zu gesicht zu bekommen, wird man nicht ihrer wunder angesichtig.

neulich eines: ich gehe durch den gemächlichen, lauen sommerregen, beschreite die auen der vorstadt, beuge mich über tauschwere halme und tropfende gelbe wiesenblüten, pflücke einen frenetisch oszillierenden gräserstrauch und bin bereit, irgendeinem tier, das daherkomme, die sendung der tageslektion zu übertragen. ich spähe immer nach einem tier, hundkatztaubespatz, egal, eine gestalt, die mir das dasein beibringt.

und ich treffe sie. des weges eine raupe.

bernsteinfarbene reise.

(daswareinhaiku)

ich entdecke sie, quer überm asphalt mit bebeintem tun am werk, und sie ist so adrett und flauschig, dass ich den impuls habe, sie zu streicheln. zwar sagt mir mein wachverstand, dass ich das nicht soll, und meine laut formulierte frage „darf ich dich berühren?“ ist nur verlogene selbstschau, aber ich mache es trotzdem: ich beuge mich hin und meine zeigekuppenspitze tupft an die haare des tieres.

und was passiert? sie zuckt, und bleibt stehen, wie ein erhitzter schrumpfschlauch.

ups, sie bewegt sich nicht, ist angeblich tot.

ich werde nervös und sehe mich um, ob nicht ein ambitionierter radler in prometheischer adlermanier dahersaust, und droht, meine neue freundin zu zerteilen. keiner da, aber raupe ist  erstarrt und hat noch kein grünlicht. und ich frage mich dann, ob ich der welt  meine quasselige anteilnahme und verzogene beanspruchung überhaupt antun darf. ob ich das recht habe, in das schicksal dieses wesens einzugreifen. natürlich nicht, in mein leben greift auch keiner ein,um mich auf dem weg still zu legen, und wenn, dann ist es gott, aber ich bin nicht gott, hilfe, das muss man sich erst echt reinziehen.

ich gehe dahin, leicht verwirrt, und sage noch laut: geh, geh schon,  und hoffe, sie kommt ans andere ende des weges unversehrt an.

und wir haben die ganze welt zerteilt. ich könnte niemals ertragen zu wissen, was wir der erde angetan haben. deshalb höre ich keine nachrichten.

aber

in

einem

anderen

zusammenhang, ne, im selben,

haben wir andernorts über etwas debattiert, da hat einer aus der gruppe, nein, ehrlich, es war nicht irgend einer, der hat erzählt, er habe einen einäugigen fisch im teich.  und das war der anlass, folgendes zu schreiben, was ich hier dezent abgeändert wiedergebe, was den selben sinn hat.

>

irgendwie hat mich das mit dem einäugigen fisch gestern verfolgt. die erste „geste“ war, ihn zu bedauern. junger fisch, schwimmt immer linksherum, das löst bei mir ein
„der arme“ aus, und wenn ich mir zehn mal einhämmere, dass es möglicherweise keinen grund gibt, denn der fisch leidet möglicherweise nicht darunter, weil möglichwerweise sein nervensystem das nicht vorsieht, etc, aber sicher kann man da nicht sein.

dieses reflexartige fischbedauern ist anmaßend und gewissermaßen verlogen, eine natürliche position, die zur pose gerinnt. mich müsste der fisch fragen, wie ich auf die idee komme, über seine welt zu richten, zu prozessieren, wo ich doch keinerlei auch nur kürzestfristiges praktikum in teichbiotopen nachweisen kann. ich müsste dann sagen, pardon, ich habe dich mit den anderen verglichen, die haben zwei augen und schwimmen anders und da sie viele sind, bestimmen sie die norm. und des fisches anwalt müsste ein gewaltiges, geysiriges plädoyer ausblubbern, eins, das von segregativen, kolonialistischen, imperialistischen und faschistischen vorhaltungen trieft und das ganze noch vor den zwinkerfrei in schwarm und glied herumschaukelnden geschworenen. als ich diese vision bis hierher inszeniert hatte, wurde mir schwindelig.

je mehr man liest, und dann, je mehr man redet (oder schreibt), desto mehr wirbel produziert man, und dieser wirbel bekommt sinnstempel, weil wir nicht anders können, dann sieht das wie reflektieren, wie prozessieren aus, am ende sogar wie kultur. im grunde ist es aber nur ein konsens. einer sagt, die anderen sind bereit zu hören, verstehen zu wollen und wieder aufzunehmen. sehr oft werde ich, auch in anderen, als in der teichsituation, von der aufgeblähtheit des menschlichen großhirns verblüfft, und dann bekomme ich lust, noch mehr luft hineinzupumpen, wie eben geschehen.

de jure dürfte ich in dieser fischsache allerhöchstens „yeah, baby“ verlauten, in der dann doch sinnigen hoffnung, dass er mich nicht hört und nicht versteht.

on line

heute, an diesem trüben, fastkalten feuchtetag, da saß ich allein in einem straßencafé, habe einen rasch auskühlenden kaffee getrunken und in einem gebundenen band gelesen. einem mit goldenem lesebändchen. neuerscheinung, im regulären, menschbegehbaren buchladen für papiergeld erstanden. beim kaffee bin ich mir am wenigsten sicher, dass er echt war.

das war eine fast vergessene attitüde. seit geraumer zeit lese ich nur noch bilschirm oder höre meine bücher; für das geld, das das buch heute kostete, kriege ich online zwei bis vier hörbücher aufs handy getröpfelt. aber die sinnliche erfahrung, im fastregen mit übervorsicht das feste druckwerk umzublättern und zu merken, es nimmt mich mit, saugt mich auf, liegt aber auf meinen knien wie ein geliebter, die war das geld wert.

weniger das gelesene war´s, das mich mitnahm. vielmehr das ganze setting. ich habe mich gefühlt wie die raumluftkönigin, der sondersummsespatz, die surresirrlibelle. frei, existent und beseelt.

es ist mein letzter sommer in

dieser wohnung.

an keinem ort der welt habe ich mich je so gut, ganz, glücklich gefühlt, wie hier. hier habe ich mich buch-stäblich gebildet, aus teilen und aus worten. hier bin ich geboren, gewissermaßen. ich, der jede scholle nur kosmos war.

und es ist die zeit der letzten solchen sonnenuntergänge hier. ich sitze auf dem bett, das gesicht nach westen. hier habe ich gelernt, was westen und was osten ist, welche stille, welche farben, welche schatten es gibt. näher und länger war ich nie an natur dran,  da um diese wände sich alles  gedreht hat, ich war fünf jahre auf reha in dieser behausung. wie im wald, so auf werden.

sie allein werde ich mit sehnsucht erinnern. mein kindheitszimmer war dunkel und hoch, und hoch heißt auch ein wenig unbeheizbar. mich wärmt keine vergangenheit, aber in dieser wohnung hier, in der ich sicher auch oft fror, hat mein gewebe eine warme decke gewebt. hier bin ich auch frau geworden.

ich lasse mir den sonnenuntergang um die wimpern schmeicheln. es ist punktgenau 21.09 uhr, und jetzt schon nicht mehr. hier steht die zeit auch nicht still, aber dafür macht sie musik. die sonne ist noch da, rund, etwas unterm hügelkamm verborgen, aber sie entzündet noch die wolken. die feuer der erde habe ich hier zum ersten mal gesehen. diese abende waren mein balsam, in ihnen vibrierte sonor und wiegend die luft der freiheit. nur vogelgezwitscher zu hören und das schaukeln des windes in die zellen hereinzulassen, eine chance, für die ich dankbar bin.

und wieder einmal, die unendliche gnade, hier in ruhe tippen zu dürfen, während andernorts ungleichheit und zwist über das land fegen; das privileg, in dieser kapsel aus meteoritenstaubiger, kristallener versandung, in diesem raumschiff nach loritanien zu chauffieren, wie in einer ozeanischen limousine aus opalisierenden tanzquallen, drauflos zu segeln, enthoben der unrast der pflichten, nur an den tasten hängend, wie am achsenbaum der welt, am bauchnabel der muttergöttin. hier habe ich meine menschlichkeit ausgelotet, eine glockenzunge unter dem messingschirm eines eisernen, schmelzenden feuerweibes,  geschnürt um den leib, faltenreich um die hüfte. und hier

meint ja eine spanne zeit. also könnte ich auch die zeit loben, ist sie doch das einzige, was wir zu erkennen vermeinen. ich könnte sagen, die letzten fünf jahre waren soundso. aber ich sage „hier“, weil erstens hier tatsächlich ein refugium war und eine auszeit, und auch weil hier das einzige ist, was dauerhafter ist als jetzt.

an meiner wohnzimmertür klebt ein weißblatt, da steht drauf

wer diese wohnung betritt, möge mit gutem gesegnet sein.

ich habe es mal hingehängt vor einem urlaub, da dachte ich: ist es mein mann, der zum blumengießen kommt, der freut sich. ist es ein dieb, der freut sich auch, sofern er denken kann. seitdem hängt der spruch da, so wie auch der in der küche hängt, den ich bereits einmal mindestens umziehen ließ: das leid ist so lange nötig, bis es nicht mehr nötig ist.

mittlerweile ging die sonne unter, der rest des himmels schweigt als graublaue neige im haubenglas der antrinkenden nacht. so langsam wie der abend im sommer gerinnt, so samtig auch seine dahin tröpfelnde schleppe. die sekunden blähen sich auf, nehmen anlauf, putzen sich heraus, eh sie mit dem übermut der gewinner nach punktzahl sich in die dunkelfluten senken. die anrauschende zeit ist so still, dass die amsel auf dem dach ungestört ihr abendwerben lossenden kann, allenfalls ein hund weiter anderswo wird ihren anfragen ein weißnicht rüberbellen.

hach. einundzwanzig  sechsundvierzig und immernochhell.  wär´s nicht bewölkt, es wär` noch heller. das ist derart beglückend, derart kitzelnd und schaukelnd, dass ich weiß, mein glück gehört in der form mir allein, es ist von solcher art, dass ich mich in den himmel würfe, um ihn zu liebkosen wie einst gaia den uranos. die kraft des sommers ist delphische heilung im schlangenformat, nachtumwunden, taghell, im gütigen wechsel, kaum ein erdling wird sich dieser widersetzen können. und tut er es, ist es kaum klug.

vermutlich klingt das sentimental und ich mag keine sentimentalen reden. vermutlich kommen noch welche hinzu, wie es einem abschied gebührt. aber ich weiß jetzt, warum ich schreibe.

ich schreibe, weil die erde sich dreht.

für anne

schatz, du hast neulich gesagt, „wer so ist,  ist immer auf der bühne“.

ich habe dabei herzgehorcht.

in mir, die ja keine künstlerin bin, aber mit solchen harmoniere, ist ganz sicher eine info darüber eingespeichert, was das mit der bühne ist. es ist die gewissheit, dass jeder schritt unseres lebens ein rampenschritt ist. dass immer das licht arbeitet, die rolle eingeseelt werden muss, damit sie glänzt, wie  ein ausgelutschter kirschkern. dass es ein catwalk ist, auf dem die seele im außen ihre innere leiter auf heels emportatzelt.

ihr, die ihr an der rampe steht, oder an der reling, ihr übt uns vor, wie sturm sein kann. was du erzählt hast, wie es ist, durch nebel zu waten, das habe ich physisch nachempfunden, in meinen knochen. und wenn meine knochen nicht fürs getippe verantworten, wer sonst.

kunst ist einübung von realität.